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Prof. Rita Kielstein

8. November 1941 – 27. Januar 2018

Westfriedhof

Rita Kielstein als Medizinstudentin
„Seit Jahrtausenden träumen die Menschen davon, in bestimmten Situationen in die Zukunft schauen zu können, wenn sie in der Gegenwart wichtige Entscheidungen treffen müssen. Diese Wünsche werden sehr intensiv, wenn es um den Beginn oder das Ende eines Lebens geht.“

Worte, mit denen die Ärztin Rita Kielstein einen ihrer medizinischen Aufsätze begann. Sie starb am 27. Januar 2018.

Nach ihrem Tod entschieden Ehemann Volker Kielstein und Sohn Jan, auf ihrem Grab die Skulptur „Kauerndes Mädchen“ aufzustellen. Das Stein-Mädchen begleitet sie nun über den Tod hinaus. Rita Kielstein liebte diese Figur.

Das Original befindet sich in Gera, als Mittelpunkt einer Brunnenanlage des von Rita und Volker Kielstein wiederhergestellten Hauses Schulenburg. Für die Gestaltung des Grabsteines wurde der Sandstein-Sockel des Brunnens nachgebildet.

Haus Schulenburg wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom belgischen Universalkünstler und Architekten Henry van de Velde errichtet.
Haus Schulenburg in Gera – ein Familienprojekt, das Haus sollte zur Klinik ausgebaut werden.
Rita Kielstein wird am 8. November 1941 in Erfurt geboren. Mit ihrer alleinerziehenden Mutter lebt sie ab 1947 in Magdeburg.
Nach dem Abitur und einem praktischen Jahr in der HNO-Klinik studierte Rita Kielstein an der Medizinischen Akademie Magdeburg von 1961-1967 Medizin. Im Jahre 1969 verteidigte sie erfolgreich ihre Promotionsarbeit. Schon als Studentin gehörte sie seit 1963 zum ersten Dialyseteam in Magdeburg. Die Dialyse wurde damals noch künstliche Niere genannt. Als Ärztin spezialisierte sich die Internistin auf die Nephrologie und entwickelte Ende der 1970er Jahre mit einem Sportpädagogen das weltweit erste Sportprogramm für Dialysepatienten. Neben Forschungsarbeiten zum akuten Nierenversagen und zur Therapie von Vergiftungen widmete sie sich auch psychischen und sexuellen Problemen von nierenkranken Patienten. Als Mitglied der Ethik-Kommission der späteren Universitätsklinik Otto-von Guericke Magdeburg entwickelte sie mit Prof. H. M. Sass von der Georgetown University in Washington, USA die Wertanamnese. Diese auf individuellen Krankengeschichten beruhende Erhebung des Patientenwunsches dient dazu, Wertvorstellungen von Patienten zu ermitteln, die in schwierigen Therapiesituationen oder am Lebensende für einen selbstbestimmten Behandlungsverlauf wichtig sind.

Ein wesentlicher Teil ihrer Universitäts-Laufbahn widmete sich der studentischen Lehre. Ganz gleich ob „Klopfkurs“, wie der Untersuchungskurs im Medizinstudium genannt wird, oder Vorlesungen zur Erhebung der Krankengeschichte – sie prägte mit ihrer Lehre über viele Jahre die Vorstellung, wie Ärzte auf Patienten zugehen und sie untersuchen sollten.
Rita Kielstein als junge Ärztin
Rita Kielstein wird 1993 zur Professorin berufen
Im Jahre 1993 wird sie zur außerplanmäßigen Professorin ernannt.
Am 21.09.1968 heiratet sie den späteren Psychiater, Psychotherapeuten und Suchtspezialisten Dr. Volker Kielstein. Ihr Ehemann sagt über seine Frau: „Rita war warmherzig, lebendig und ehrgeizig. Eine Ärztin, die sehr gewissenhaft und vorsichtig mit den Menschen umging. Ihr Beruf bedeutete ihr sehr viel.“ Rita und Volker Kielstein standen im engen Austausch, wenn es um die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden, wissenschaftliche Untersuchungen oder medizinische Publikationen ging.
Sohn und Ehemann
Sohn und Vater
Volker und Rita Kielstein
Ihr Sohn Jan ist Professor für Innere Medizin und Nierenheilkunde. Er ist Chefarzt einer Fachklinik und wissenschaftlich international aktiv.
Rita Kielstein
Rita Kielstein
Kauerndes Mädchen

Die lebensgroße Kalksteinfigur wurde 1913 von dem Bildhauer Richard Engelmann erschaffen. Eine Kopie der Figur befindet sich im Innenhof der Alten Universität in Freiburg/Breisgau.
Prof. Wilhelm von Bode (1845 – 1929), Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen Berlin, würdigte die Skulptur 1919 ausführlich in einem Beitrag der Zeitschrift „Kunst für Alle“. Engelmann war seit 1913 Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Weimar, von 1919 -1920 war er noch am Bauhaus tätig und u.a. Lehrer der Bauhausdesignerin Marianne Brandt
Haus Schulenburg außen
1996 erwarben Rita und Volker Kielstein in Gera „Haus Schulenburg“, ein geräumiges Landhaus für den ehemaligen Geraer Textilfabrikanten Paul Schulenburg, errichtet vom Universalkünstler und Bauhauswegbereiter Henry van de Velde 1913-14. Van de Velde entwarf nicht nur die Architektur, sondern auch die Innenräume, Möbel, Ausstattungen und Gartenanlage als Gesamtkunstwerk. Es war geplant, dass Gebäude nach denkmalgerechter Sanierung als Kulturzentrum und als Zweigniederlassung der Magdeburger Tagesklinik an der Sternbrücke zu nutzen. Die Tagesklinik in Gera scheiterte an institutionellen Wiederständen.
Haus Schulenburg innen
Für die originalgetreue Restaurierung von 1996 – 2017 sowie die Rückführung von weltweit verstreuten Möbeln und Kunstgegenständen wurden Rita (postum) und Volker Kielstein mit den Deutschen Denkmalschutzpreis 2019 geehrt. Möglich wurde dieses Ergebnis durch die intensive partnerschaftliche Arbeit von Rita und Volker Kielstein in Bezug auf kunsthistorische Recherchen, Gestaltungsideen, Bauüberwachung, Sammlungsaufbau und die notwendigen „diplomatischen“ Verbindungen. Rita war erste Präsidentin der 1999 gegründeten „Europäischen Vereinigung der Freunde Henry van de Veldes e. V.“

Rita Kielstein starb wenige Monate nach der Fertigstellung des „Schulenburgprojektes“.